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Dürr und HOMAG passen sehr gut zusammen

Es war der Deal des Jahres 2014: Der Automobilausrüster-Riese Dürr sicherte sich im Oktober die Anteilsmehrheit an der HOMAG Group. Seither profitiert der Schopflocher Maschinenhersteller von einer stabilen Eigentümerstruktur, zusätzlichen Kompetenzen und einer noch breiteren internationalen Aufstellung. Als erste Fachzeitschrift und exklusiv im Bereich Möbelindustrie sprach die HK mit dem Dürr-Finanzvorstand und neuen HOMAG-Vorstandsvorsitzenden Ralph Heuwing. Im Interview erläutert der 48-Jährige, wie er die beiden Unternehmen zusammenführen will, wo sich Synergien eröffnen und warum die Zeiten der Aktionärsstreitigkeiten endgültig vorbei sind.

Herr Heuwing, Sie haben Ende des Jahres 2014 den Vorstandsvorsitz der HOMAG Group übernommen. Wie haben Sie das Unternehmen vorgefunden?
Mein Eindruck ist sehr positiv. Die HOMAG Group ist wirklich ein tolles Unternehmen. Ich zolle der Lebensleistung von Herrn Schuler und Herrn Hornberger, die über Jahrzehnte aus kleinen Anfängen einen Weltmarktführer mit heute fast 1 Mrd. Euro Umsatz aufgebaut haben, großen Respekt. Mit ihren Innovationen, der weltweiten Präsenz und den hoch motivierten Mitarbeitern, von denen viele dem Unternehmen seit Jahren treu verbunden sind, hat die HOMAG Group immer wieder neue Maßstäbe gesetzt.

Sie üben das Amt des HOMAG-Group-Vorstandsvorsitzenden und Dürr-Finanzvorstands in Personalunion aus. Kann es da nicht auch zu Konflikten kommen, wenn Dürr zum Beispiel sparen muss, die HOMAG Group aber auf Investitionen pocht?
Mein Interesse als Vorstandsvorsitzender der HOMAG Group AG deckt sich mit dem als Finanzvorstand der Dürr AG. Denn das Ziel lautet, die HOMAG Group so erfolgreich wie möglich zu machen. Angesichts der guten finanziellen Ausstattung bei Dürr sehe ich solche Konflikte nicht. Was die zeitliche Dimension betrifft: Ich habe 2014 bei Dürr rund die Hälfte meiner Zeit mit Transaktionsprojekten verbracht. Dazu gehörten der Erwerb der HOMAG Group und andere Käufe, aber auch Unternehmensverkäufe und eine komplette Refinanzierung. Der Abschluss dieser Projekte gegen Ende letzten Jahres gibt mir jetzt den Freiraum, die HOMAG Group auf ihrem Weg zu begleiten. Außerdem ist es wichtig, sich auch persönlich für eine solch entscheidende Akquisition zu engagieren. Nicht zuletzt auch aufgrund der räumlichen Nähe zwischen Bietigheim und Schopfloch ist dies gut möglich.


Bleibt denn der Standort Schopfloch langfristig erhalten?
Das stand und steht außer Frage. Am Ende zählt, dass die Mitarbeiter das Unternehmen voranbringen. Und dieses Ziel erreichen Sie nicht, indem Sie die Stellen um 80 Kilometer „verpflanzen“. Deshalb haben wir von Anfang an betont, dass die HOMAG Group eine eigenständige Gruppe mit eigenem Markennamen und eigenem Vertriebsnetz bleibt. Natürlich kann es im Einzelfall sinnvoll sein, dass in einem Land – zum Beispiel in aufstrebenden Wachstumsmärkten – die Infrastruktur des jeweils anderen Unternehmens genutzt wird, um sich schneller zu etablieren. Aber das sind dezentrale Erwägungen, die keine herausragende strategische Bedeutung haben.


In welchen Bereichen kann sich die Homag Group Ihrer Meinung nach noch verbessern?
Wir wollen die HOMAG Group noch erfolgreicher machen. Einerseits wollen wir die Fitness erhöhen und Produktivität und Effizienz steigern. Andererseits setzen wir auf Innovation: Produktseitig sehen wir im Bereich der Automatisierung sowie bei Verkettungslösungen große Potenziale. Verkettete Systeme werden in Zukunft sicherlich schneller wachsen als Einzelmaschinen. Die Software als Bestandteil von Gesamtkundenlösungen wird einen noch höheren Stellenwert einnehmen.


Gibt es ein Art Masterplan, wie Sie die beiden Unternehmen HOMAG Group und Dürr AG zusammenführen wollen?
Sie sagen zurecht „zusammenführen“ und nicht „integrieren“. Eine Integration findet vor allem auf der finanztechnischen Ebene statt. Darunter fallen zum Beispiel einheitliche Bilanzierungsstandards. Seit dem 3. Oktober 2014 konsolidiert die Dürr AG die HOMAG Group. Dies erforderte auch eine systemseitige Integration. Das ist ein notwendiger Schritt, der aber noch keine Synergien eröffnet. Letztere erhoffen wir uns bei den internen Prozessen und der Globalisierung. Im Moment lernen sich die Teams beider Seiten kennen und loten aus, wo es Gemeinsamkeiten und Synergiepotenziale gibt.


Können Sie uns ein paar Beispiele für mögliche Synergien nennen?
Ein Beispiel ist die Finanzierung, die bei der HOMAG Group bisher über Banken läuft. Künftig kann sich die HOMAG Group aufgrund der guten Liquidität innerhalb des Dürr-Konzerns finanzieren und dadurch Zinsen sparen. Des Weiteren sehen wir im Einkauf Synergien. Die Maschinen der HOMAG Group, Schenck und Dürr verfügen zwar über unterschiedliche technische Features, sie benötigen aber allesamt Antriebe, Steuerungen und diverse andere mechatronische Komponenten. Hier können wir auf dieselben Lieferanten zurückgreifen.


Und wie sieht es im Technologiebereich aus?
In der Produktionstechnik rückt die Robotik als eine wichtiges Element der Automation bei unseren Kunden zunehmend in den Fokus. Dürr ist sowohl auf Entwicklungs- als auch auf Anwendungsseite seit vielen Jahren sehr vertraut mit diesem Thema und kennt sich bestens aus. In der Möbelindustrie und im Handwerk gibt es bislang noch eine sehr kleine Anzahl an Roboterlösungen. Dies wird sich in Zukunft sicher ändern.


Wie kann es gelingen, die Möbelindustrie von den Vorteilen der Robotik zu überzeugen?
Es sind verschiedene Einsatzbereiche vorstellbar: das Materialhandling, die Führung eines Werkstücks in der Bearbeitung oder sogar die Führung des Werkzeugs. Als Maschinenhersteller ist es unsere Aufgabe, unseren Kunden entsprechend optimale Lösungen zu bieten und diese von den Möglichkeiten und ihren wirtschaftlichen und technischen Vorteilen zu überzeugen. Dafür sind Messen wie die Ligna prädestiniert. Es braucht Lösungen, die die Abläufe vereinfachen, etwa mit durchgängigen Nutzeroberflächen für Maschinen und Roboter. Hier eröffnet das Know-how von Dürr für die Homag Group und deren Kunden ganz neue Perspektiven.


Gibt es auch Bereiche, in denen Dürr von den Kompetenzen der Homag Group profitiert?
Ja, die gibt es. Nehmen Sie etwa die Maschinenbedien-Oberfläche „Power Touch“. Das ist ein Konzept, das wir auch bei Dürr und Schenck für sehr interessant halten. Ich möchte aber betonen, dass all diese Synergien nicht der Hauptgrund für die Übernahme der Homag Group waren. Vielmehr spielte das Potenzial des Unternehmens und die breite Aufstellung in einer anderen Branche die entscheidende Rolle ...


... also auch die Reduktion der Abhängigkeit des Dürr-Konzerns von der Automobilindustrie.
Die Automobilindustrie ist eine hoch attraktive Branche mit überdurchschnittlichem Wachstum. Und das bereits seit vielen Jahren. An Perspektiven mangelt es da nicht. Allerdings war unsere Abhängigkeit von diesem Markt vor der HOMAG-Group-Übernahme mit rund 80 Prozent Umsatzanteil in der Tat recht groß. Beim Thema Portfolio denken wir langfristig, weswegen wir das Unternehmen breiter aufstellen wollen, um den verschiedenen Konjunkturzyklen optimal begegnen zu können. Diesbezüglich war die Übernahme ein wichtiger Meilenstein für Dürr.


Dürr zählt die Lackiertechnik zu ihren Kernkompetenzen. Wäre es denkbar, mit diesem Know-how künftig auch in der Holz- und Möbelindustrie einzusteigen?
Wir beobachten das Thema Oberflächentechnik für die Holz- und Möbelindustrie mit Interesse. Hier ist die Aufstellung der HOMAG Group noch nicht so breit wie in anderen Produktsegmenten. Konkrete Entscheidungen sind noch nicht getroffen, aber die Frage, wie man die Oberflächenkompetenz der beiden Unternehmen zusammenführen kann, steht auf unserer Agenda.

Bei der vorletzten Hauptversammlung der HOMAG Group entbrannte ein Streit zwischen den Aktionären. Gehören solche Turbulenzen mit dem Einstieg von Dürr der Vergangenheit an?
Ein ganz klares Ja. Die Zeiten der Auseinandersetzungen im Aktionärskreis sind endgültig vorbei. Wir haben einen sehr guten Konsens mit der Familie Schuler und dem Schuler-Klessmann-Pool gefunden. Alleine die Zustimmung zum Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in Höhe von 97 Prozent bei der außerordentlichen Hauptversammlung im März hat klar zum Ausdruck gebracht, dass keine unterschiedlichen Meinungen mehr vorherrschen. Alle Beteiligten sind sich einig, dass der Einstieg von Dürr ein richtiger und wichtiger Schritt war und die Homag Group jetzt einen guten Heimathafen gefunden hat. Und das bei einem erfolgreichen Maschinenbaukonzern mit ähnlichen Werten, mit schwäbischer Herkunft sowie einem vergleichbaren Weltmarktführeranspruch. Dürr und die HOMAG Group passen einfach sehr gut zusammen.


Die HOMAG Group erzielte 2014 einen Rekordumsatz von 914,8 Mio. Euro – ein Plus von 16 Prozent. Erwarten Sie für das Jahr 2015 weiteres Wachstum?
2014 verzeichnete die HOMAG Group eine sehr erfreuliche Entwicklung, die uns für 2015 optimistisch stimmt. Wir haben das vergangene Jahr mit einem Rekord im Auftragsbestand abgeschlossen. Dieser Bestand wird den Umsatzverlauf in diesem Jahr positiv beeinflussen. Mittelfristig rechnen wir mit einem Wachstum von etwa 3 Prozent, kurzfristig aber mit mehr.


Das heißt, die Umsatz-Milliarde rückt bald in greifbare Nähe.
Das ist uns durchaus bewusst. Die Milliarden-Marke haben wir fest im Blick. Unser Ziel ist es, diese Marke rasch zu erreichen bzw. zu überspringen.


In welchen Märkten sehen Sie hierfür die meisten Potenziale?
China bietet als weltweit größter Möbelmarkt große Chancen. In den USA registrieren wir nach Jahren der Produktionsverlagerung nach Fernost wieder einen stärkeren Fokus auf eigene Fertigung „made in USA“. Wir sind zuversichtlich, dass der erfolgreiche Geschäftsverlauf in den Vereinigten Staaten anhält und er sich nicht nur als eine kurzfristige Entwicklung darstellt. Darüber hinaus ist Südostasien eine wichtige, sehr bevölkerungsreiche Region, die zügig wächst. Auch Indien entwickelt sich mittlerweile wieder positiv. Für uns ist es wichtig, dass die HOMAG Group weltweit gut aufgestellt ist, weshalb wir unser Augenmerk auch auf kleinere Märkte mit Potenzial richten. Dabei dürfen und wollen wir aber die angestammten Kernmärkte in Europa nicht vernachlässigen, bilden sie doch ein solides Fundament für unsere weitere globale Expansion.


Ihr Vorgänger sagte, dass der Umsatz in China mittelfristig mindestens verdoppelt werden soll. Halten Sie an diesem Ziel fest?
Mit der Erfahrung bei Dürr sind wir sehr optimistisch, was die Geschäfte in China betrifft. Für Dürr ist China der mit Abstand wichtigste Markt, der 30 bis 35 Prozent des gesamten Umsatzes ausmacht. Ein solcher Anteil wird für die HOMAG Group kurzfristig nicht realisierbar sein. Aber wenn man sich die steigenden Ansprüche an Qualität, den Trend zur Automatisierung sowie die sich verändernden Lebensgewohnheiten der Chinesen vor Augen führt, deutet das auf sehr starke, nachhaltige Wachstumsimpulse hin. Die moderne Fertigungstechnik hat auch in China schon Einzug gehalten, was sich zukünftig noch weiter verstärken wird. Davon wird die HOMAG Group in den nächsten Jahren profitieren.


Inwiefern kann Dürr in China als Türöffner fungieren?
Wir wollen in China Produkte herstellen, die genau auf die Bedürfnisse des Marktes zugeschnitten sind. Hierfür ist eine Lokalisierung notwendig, bei der sich Dürr sehr gut auskennt. Durch die starke Präsenz von Dürr auf dem chinesischen Markt kommen wir zudem leichter an qualifizierte Fachkräfte. Dürr beschäftigt heute fast 2.000 Mitarbeiter in China, die Homag Group knapp über 200. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Erfahrungen und das Netzwerk von Dürr der HOMAG Group den Zugang zum Arbeitsmarkt und lokalen Beschaffungsquellen erheblich erleichtern können.


In Russland sind die Umsätze der deutschen Hersteller von Holzbearbeitungsmaschinen zuletzt gesunken. Erwarten Sie im Laufe des Jahres 2015 eine Erholung?
Die politischen Probleme in Russland sind nicht gelöst, eine Prognose dazu wagt derzeit niemand. Daher wird es mit Sicherheit bis ins kommende Jahr hinein dauern, bis sich die Nachfragesituation wieder positiv gestaltet. Das Potenzial ist in jedem Fall vorhanden, jedoch führt die massive Verunsicherung bei unseren russischen Kunden zu einer deutlichen Investitionszurückhaltung. Erfreulich entwickelt sich dagegen der osteuropäische Markt außerhalb Russlands.


Wie sieht es speziell auf dem deutschen Markt aus?
Die Konjunkturprognosen für Deutschland sind positiv – und wurden zuletzt sogar noch einmal nach oben korrigiert. Die Kaufkraft hat so stark zugenommen wie seit Jahren nicht mehr. Der deutsche Konsument hat heute gefühlt und real mehr Geld in der Tasche als vor ein bis zwei Jahren. Daher wird auch vermehrt in langlebige Produkte investiert. Wir spüren in unserem Heimatmarkt positiven Rückenwind und es ist unumstritten, dass sowohl das deutsche Handwerk als auch die deutsche Möbelindustrie äußerst wettbewerbsfähig sind. Innovative Prozesse und modernste Maschinen- und Anlagentechnik sorgen hier für den notwendigen Vorsprung im internationalen Vergleich.


Welche Impulse erwarten Sie von der Ligna 2015?
Die Ligna ist die unangefochtene Leitmesse für die Holzverarbeitende Industrie sowie das entsprechende Handwerk und alle zwei Jahre das wichtigste Schaufenster der Branche. Sie wird die Hauptthemen wie Losgröße Eins, vernetzte Fertigung, Automatisierung oder Energie- und Ressourceneffizienz gewohnt eindrucksvoll in Szene setzen. Wir werden dieses Jahr unseren Anspruch als Innovationsführer in diesen Bereichen nachhaltig unterstreichen, denn vielfach sind diese Themenbereiche eng miteinander verwoben. Als Weltleitmesse hat die Ligna zudem nicht nur eine kurzfristige Wirkung. Manche Kunden treffen ihre Kaufentscheidung erst ein bis anderthalb Jahre später – allerdings auf Basis ihrer Eindrücke aus Hannover. Hier wollen und werden wir auch wieder Trends setzen, die unseren Kunden teils völlig neue Perspektiven für die Zukunft eröffnen. Insofern denken wir nicht nur an die Messe selbst bzw. die Wochen danach, sondern viel weiter in die Zukunft.


Die HOMAG Group stellt in Hannover erstmals eine über 100 Meter lange, komplett vernetzte Losgröße-Eins-Anlage vor. Was versprechen Sie sich von dieser Präsentation?
Wir wollen auf der Ligna zeigen, wie effizient die Losgröße-Eins-Fertigung sein kann und warum es so wichtig ist, Lösungen aus einer Hand zu bieten, um ein optimales Zusammenspiel als Ganzes zu sichern. Die HOMAG Group bietet für die prozessuale und datentechnische Vernetzung von Maschinen und Fertigungszellen zu Anlagen ideale Voraussetzungen, denn die teils nicht unerheblichen Abstimmungsprozesse laufen hier unter einem Dach. Die 100 Meter lange Anlage soll den Besuchern in Hannover demonstrieren, was in Sachen vernetzter Produktion heutzutage alles möglich ist. Dabei ist jede Anlage nach Kundenwunsch in Größe und Leistung beliebig skalierbar.

Werden zur Ligna auch Innovationen zu sehen sein, die auf dem Know-how von Dürr basieren?
Dafür ist es noch zu früh. Wir haben erst im Oktober die Akquisition abgeschlossen. Und vor wenigen Tagen wurde der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit dem Eintrag ins Handelsregister wirksam. Erst jetzt kann eine intensive Zusammenarbeit beginnen. Freuen Sie sich diesbezüglich schon einmal auf die nächste große Messe.

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