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Spanien: Es zählt nur der Blick nach vorn

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01.09.2014   |   Spanien

  • Die „Maestranza“ in Sevilla ist eine der wichtigsten Stierkampfarenen Spaniens. „Kämpfen“ muss derzeit auch die spanische Möbelindustrie: Über die Hälfte der Betriebe ging im Zuge der Krise in die Insolvenz
  • Aufbau- und Testphase eines Teilbereichs der Losgröße-Eins-Anlage bei einem katalonischen Büro- und Küchenmöbelherstellers, sowie Teilelieferant
  • Der Aufbau der Losgröße-Eins-Anlage beinhaltet auch eine horizontale Plattensäge mit vier Abstapel- Liftomaten und der Kanten-U/O-Straße mit Lasertechnik

Ein Artikel des Fachmagazins HK, Ausgabe 5 / 2014, www.hk-magazin.com

 

Doch die Pleite vieler Betriebe bereinigte den Markt: Wer überlebt hat, verspürt langsam wieder Wind in den Segeln. In der HK-Serie „Länderreport“ beschreibt Uwe Korte, Projektingenieur bei Schuler Consulting, die Lage auf dem spanischen Markt und erläutert anhand konkreter Projekte, wie sich die Möbelhersteller für die Zukunft wappnen.

 

In den vergangenen Jahren machte Spanien vor allem dank des Fußballs von sich reden

Zweimal Europameister, einmal Weltmeister, dazu diverse Titel auf Vereinsebene: Die sportlichen Erfolge haben seit 2008 immer wieder ein Lächeln auf die Gesichter der Iberer gezaubert. Ihr Alltag sah dagegen weniger fröhlich aus. Über viele Jahre hinweg hatte das Land einen beispiellosen Bau-Boom erlebt. Als die Immobilienblase 2008 platzte, riss die darauffolgende Krise nicht nur Banken, sondern auch zahlreiche Unternehmen in den Abgrund. Die Arbeitslosenzahlen schnellten in die Höhe, vor allem junge Spanier haben kaum noch eine Chance auf einen Job.

Trotz des ungünstigen wirtschaftlichen Umfelds habe ich es nicht bereut, dass ich 2005 meinen Lebensmittelpunkt nach Spanien verlagert habe. Schließlich hat das Land einiges zu bieten. Auf einer Fläche von 504 645 km² trifft man auf 46 Mio. sympathische, gastfreundliche, temperamentvolle und lebensfrohe Menschen. Man hat Freiraum genug, dem Alltag zu entfliehen und in den beeindruckenden Naturlandschaften zu entspannen. Entlang des Golfs von Biskaya sowie am Mittelmeer erstrecken sich die schönsten Strände, im Landesinneren warten zahlreiche Gebirge mit hohem Waldanteil und wunderschönen Wasserfällen. Mein absoluter Favorit sind die „Cascadas“-Wasserfälle von Enguidanos, auch bekannt als „Las Chorreras de Enguidanos“. In den heißen Sommertagen kann man hier den Körper im kristallklaren Gebirgswasser wieder auf angenehme Betriebstemperaturen herunterfahren.

Mit weltbekannten Museen, spektakulärer Architektur, einzigartiger Kunst und einer Reihe von weltweit bekannten und einzigartigen Volksfesten ist Spanien zudem ein wahres Kulturparadies. Die heute weltbekannten Fallas von Valencia, die „feurige“ Tradition, wurde im Jahre 1497 durch Zimmermänner und Künstler ins Leben gerufen. Während der Wintermonate wurden die Parot (hölzerne Gebilde) designed und konstruiert. Um die Ankunft des Frühjahrs zu zelebrieren, verbrennen die Künstler und Zimmermänner ihren Parot bei einer großen Feier am Tag des San José (St. Joseph), dem Schutzpatron der Zimmermänner.

 

Valencia: Sitz der Schuler Consulting Zweigstelle

Ebenfalls ein schönes Ereignis ist es, mit spanischen Freunden eine traditionelle Paella in einer Metallpfanne über offenem Feuer zuzubereiten. Das ursprüngliche Rezept stammt aus dem Raum Valencia. Hier hat Schuler Consulting im Jahr 1998 auch seine spanische Zweigstelle eröffnet. Die Stadt ist bekannt durch die „Ciudad de las Artes y de las Ciencias“ (Stadt der Künste und Wissenschaften) und verfügt traditionell über eine starke Möbelbranche. Deren Bedeutung war lange Zeit so groß, dass sie über Jahrzehnte hinweg die Ansiedlung eines Ikea-Marktes in der Stadt verhindern konnte. Erst im Juni 2014 hat es der schwedische Riese geschafft, in der angrenzenden Stadt Alfafar eine Filiale zu eröffnen.

Ab dem Jahr 2008 setzte die stärkste wirtschaftlichste Krise Spaniens ein. Von 2003 bis 2007 erreichte das Land noch ein positives Wachstum des realen Bruttoinlandprodukts (BIP) von jährlich mehr als 3 Prozent. 2008 betrug das Wachstum nur noch 0,89 Prozent, ab 2009 schrumpfte die Wirtschaftsleistung mit Ausnahme des Jahres 2011. 2009 um 3,74 Prozent, 2010 um 0,32 Prozent, 2012 um 1,4 Prozent und 2013 um 1,5 Prozent. Die Arbeitslosenquote stieg von damals 8 Prozent auf mittlerweile 27 Prozent. Die Jugendarbeitslosigkeit hat aktuell sogar einen traurigen Höchststand von 54 Prozent erreicht.

Mehr als die Hälfte der möbelfertigen Industrie ging in dieser Zeit in die Insolvenz. Dagegen konnten Firmen, die frühzeitig auf Innovation und einen hohen Automatisierungsgrad gesetzt haben, dieser Tendenz entgegenwirken. Nach der massiven Marktbereinigung sind sie nun am Besten für die Zukunft gewappnet. Ein Großteil der spanischen Möbelindustrie hat jedoch den Schritt noch vor sich, von der Serien- und Lagerfertigung ganz oder zumindest in Teilen auf die auftragsbezogene Fertigung umzustellen. Dabei konnten und können unsere renommierten Kunden auf die langjährigen Erfahrungen und das umfangreiche Know-how von Schuler Consulting setzen.

 

Realisierte Kundenprojekte

Realisiert haben wir gemeinsam mit Kunden unter anderem Reorganisationsprojekte, Fabrikplanungen sowie die Implementierungen unterschiedlicher Softwaresysteme (CAD/CAM-Produkt-Konfiguratoren – Fertigungsleitsysteme). Außerdem konnten wir einige Losgröße-Eins-Anlagen in Betrieb nehmen. Aktuell darf ich auch wieder an einem interessanten und herausfordernden Losgröße-Eins-Projekt in Katalonien in der Nähe von Barcelona arbeiten. Die Auftragsbücher des Büro- und Küchenmöbelherstellers sowie Teilelieferanten sind voll. Derzeit produziert der Kunde an sechs Tagen die Woche im Drei-Schicht-Betrieb. Nach all den Krisengeschichten ist es schön zu sehen, wie sich hier etwas bewegt.

Die Anlage besteht zunächst aus einer Säge-Lager-Kombination mit automatischer Teileetikettierung. Diese ist entkoppelt durch einen Rollenbahnpuffer von der voll verketteten Anlage bestehend aus zwei Kantenanleimmaschinen (O- und U-Betrieb möglich), einem Vertikalspeicher und zwei hochflexiblen Durchlaufbohrmaschinen. Die Kantenlinie kann konventionell mit PUR-Kleber oder mit Lasertechnik betrieben werden.

Die erfolgreiche Inbetriebnahme setzt einen perfekten Daten- und Informationsfluss voraus. Alle Maschinendaten müssen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort vorhanden sein. Zahlreiche Parameter, Makros und Programme müssen automatisch generiert und jedem Bauteil eindeutig zugeordnet werden. Die Ermittlung des Auftragsstatus muss zu jedem Zeitpunkt verfügbar sein.

Zunächst wurde das Konzept für den Daten- und Informationsfluss in Zusammenarbeit mit dem Kunden, den Maschinenherstellern und dem ERP-Softwareanbieter ausgearbeitet und definiert. Wir entschieden uns, dass Schuler Consulting für die Generierung aller Produktionsdaten verantwortlich sein soll. Hierzu führen wir in Phase Eins ein Produktionsteuerungsystem und in Phase zwei ein CAD/CAM-System ein. Beide Systeme werden in der bestehenden Kundensoftwareumgebung integriert.

Derzeit wird die erste Phase des Projekts umgesetzt. Die Software bildet die Schnittstelle zwischen dem ERP und der Produktion der Losgröße-Eins-Anlage. Das ERP-System übergibt dabei lediglich die Fertigungsaufträge mit den Bauteilegrunddaten wie Materialien, Dimensionen und Nutinformationen. Über eine intelligente Schnittstelle werden dann alle Maschinenparameter, -programme und -makros generiert und in die entsprechenden Maschinendatenbanken geschrieben. Jedes Bauteil erhält den sogenannten Unique Barcode ID und ist somit eindeutig identifizierbar. Nach Abarbeitung meldet dann jede Maschine den Status mit einem Zeitstempel an das Produktionssteuerungssystem zurück. Somit kann zu jeder Zeit ermittelt werden, wo sich welche Bauteile befinden und wie der derzeitige Auftragsstatus ist.

In der bevorstehenden zweiten Phase wird Schuler Consulting beim Kunden ein CAD/CAM-System implementieren. Die Stücklistenanlage im aktuellen ERP-System ist zu starr, ein parametrischer Stücklistenaufbau ist nicht möglich. Weiterhin ist das System nicht variantenfähig. Die Datenpflege bei dem rasanten Produktwechsel und der Vielfalt an Sonderkonstruktionen, Modellen und Farben ist nicht mehr zu leisten. Die Aufgabe der Produktkonfiguration wird das CAD/CAM-System übernehmen. Zukünftig werden im ERP keine Stücklisten mehr zu den Verkaufsartikeln angelegt.

Die Auftragserfassung mit der Artikelpreisfindung wird wie gehabt im ERP-System erfolgen. Dieses wird dann in Form einer XML-Datei alle Varianten der Verkaufsartikel beschreiben. Über den Sales Import werden im Anschluss die Aufträge in das CAD/CAM-System importiert; aufgelöst wird hier die komplette Stückliste (BOM: „Bill of Material“) und zusätzlich wird das CAD/CAM-System alle CNC-Dateien generieren. Das ERP-System wird direkt auf die CAD/CAM-Datenbank zugreifen und im Anschluss werden hier die Lager-, Serien- und die auftragsbezogenen zu fertigenden Bauteile ermittelt. Für die Lagerteile werden Pickinglisten erstellt, Serienteile bzw. Bauteile mit großen Losgrößen werden an den bestehenden Anlagen produziert. Für Bauteile kleiner Losgrößen wird das ERP-System die entsprechenden Fertigungsaufträge generieren und, wie bereits in Phase eins beschrieben, an das Fertigungssteuerungsystem übergeben.

Die weitere Durchführung der Phase eins und die bevorstehende Phase zwei stellt für alle an dem Projekt beteiligten Personen noch eine spannende und herausfordernde Arbeit dar. Das praxiserfahrene Projektteam ist jedenfalls hochmotiviert. Der weiteren erfolgreichen Implementierung steht also nichts mehr im Wege.

"Das könnte aber auch ein gutes Omen für die spanische Wirtschaft sein"

In diesem Sommer hat die spanische Nationalmannschaft die WM in Brasilien frühzeitig verlassen müssen. Das schmerzte die Spanier sehr, könnte aber auch ein gutes Omen für die spanische Wirtschaft sein, die hoffentlich bald einen Aufwärtstrend erfährt. Wir von Schuler Consulting wünschen den Spaniern von ganzem Herzen das Allerbeste für die Zukunft und hoffen auf weitere spannende und herausfordernde Projekte in diesem tollen Land.ITALIENISCH:Jetzt zählt der Blick nach vornDie Finanz- und Immobilienkrise des Jahres 2008 versetzte Spanien einen harten Genickschlag. Auch die Möbelindustrie musste nach dem Platzen der Immobilienblase herbe Rückschäge verkraften. Doch die Pleite vieler Betriebe bereinigte den Markt. Wer überlebt hat, verspürt langsam wieder Wind unter den Flügeln. In der HK-Serie „Länderreport“ beschreibt Uwe Korte, Projektingenieur bei Schuler Consulting, die Lage auf dem spanischen Markt und erläutert anhand konkreter Projekte, wie sich die Möbelhersteller für die Zukunft wappnen. So hätten zum Beispiel diejenigen Firmen, die frühzeitig auf Innovation und einen hohen Automatisierungsgrad gesetzt haben, nun die besten Chancen. Der Großteil der spanischen Möbelindustrie habe jedoch diesen Schritt noch vor sich.

 

 

Fotos: Schuler Consulting, Lampen

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